Das Schicksal der Hobrechtstraße 28

Das Schicksal der Hobrechtstraße 28

 

„Mein Vater hat damals Anfang der Siebziger Jahre eine Akropolis an die Garagenwand gemalt, damit sich der griechische Gemüsehändler auch zuhause fühlt, wenn er aus seinem Hoffenster guckt.“ erzählt Frau S.

 

Sie hat die Hobrechtstraße 28 von ihrem Vater geerbt. Ér hatte das durch Bomben schwer beschädigte Haus nach dem 2. Weltkrieg gekauft und mit viel Mühe und Liebe wieder aufgebaut. 1991 musste Frau S. das Anwesen nach einem Brand verkaufen, allerdings hat sie verhandelt, lebenslang in ihrer Wohnung bleiben zu dürfen.


Dennoch ist sie 2011 zu ihrer Tochter nach Bayern gezogen. Ihre Wohnung in der Hobrechtstraße 28 steht seitdem leer. Fünf weitere Wohnungen und ein Gewerberaum sind ebenfalls verwaist.

 

Aber WIR wohnen noch hier. Die Hobrechtstraße 28 ist unser Zuhause.

 

Wir sind entweder hier aufgewachsen, oder sind irgendwann hier angekommen und geblieben. Wir haben hier unsere Familien, Freunde, unser Leben. Die meisten von uns leben seit zehn bis zwanzig Jahren hier. Wir sind miteinander verbunden, mit Haus und Straße, mit dem ganzen Kiez. 

 
In der Hobrechtstraße 28 lebt eine demographisch beispielhaft durchmischte Gemeinschaft aus Betuchteren und Bescheidenen: von Gärtnern, Blumengießern, Bürokatzen, (Lebens-)Künstlern, über ein Illustratorenbüro mit Druckerei bis hin zu Tänzern, Schatzsuchern und Bienenzüchtern. Sogar einen Hausgeist mit goldenem Helm haben wir.
Alle zusammen hätten wir nie die Chance gehabt, uns kennen- und mögen zu lernen, wenn wir nicht in diesem Haus zusammen wohnen würden.

 

Es gab belebtere Zeiten in unserem Haus. Damals, als die Galerie noch ihre Türen geöffnet hatte, als die WG im ersten Stock noch existierte. Es gab Zeiten, in denen das Haus noch komplett bewohnt war. Das waren die Zeiten, als die Hausverwaltung uns einen Gemeinschaftsgrill sponserte anstatt uns lakonisch in unsere Anspruchs-Schranken zu weisen, was die generelle Instandhaltung des Hauses und der Wohnungen angeht.
Die gemalte Akropolis gibt es mittlerweile nicht mehr, denn die Garage steht nicht mehr. Was aus der Fläche werden soll ist uns ungewiss. 2016 wurde „unser“ Haus abermals verkauft, Sanierungen werden geplant.

 

Dennoch: die Hiergebliebenen sitzen noch immer oft zusammen auf der Bank vor dem Haus und schnacken, machen Hausflohmarkt und Youngsters aus dem Gangway e.V.  feiern im Hof Feste. Wir fühlen uns hier zuhause. Wir, die ebenso hier verwurzelt sind wie die Rosen und die Kastanie im Hof, die so vielen Tieren ein Blätterzuhause über dem Kopf bietet.

 
Ein Verkauf und damit einher gehende Sanierungen sind erst mal nicht negativ. Allen Mitgliedern ist klar, dass es Investitionen geben muss, um die Bausubstanz zu erhalten.

Deshalb ist unser Verein LeBrecht 23/62 e.V. und seine Mitglieder auch jederzeit bereit zu einem konstruktiven Austausch zum Thema Modernisierung und Instandsetzung.

 

Jedoch sind mögliche Luxussanierungen (wie etwa der ominöse Anbau eines gläsernen Seitenflügels in unserem Hof, der wohl mit bestehenden Wohnungen zusammengelegt werden soll) für uns eine dubiose, eher bedrohliche Sache. Die Pläne zum Anbau sind auf der Homepage der Architekten veröffentlicht, Bauherr und der Bezirk jedoch halten sich bedeckt, was die offizielle Beantragung des Projekts angeht.

Genaues wissen wir also nicht. Es wird im Hintergrund geplant, aber im Vordergrund nicht informiert. Wir sind besorgt, unsicher, spekulieren und vermuten. Das erzeugt Unbehagen und auch Unwillen. In Kombination mit der im Reuterkiez überall zu sehenden Tendenz, die herrliche Altbausubstanz ausufernd überzusanieren entsteht ein fatales Bild: Verdrängung der Altmieterschaft und der Gewerbetreibenden, Vernichtung der lebendig durchmischten Bevölkerungs- und Gewerbestruktur im Kiez. Dadurch sehen wir in der Hobrechtstraße 28 uns schlicht bedroht.

 
Dieser Entwicklung wollen wir als Verein entgegentreten im Interesse unserer Mitglieder und auch im Interesse anderer Initiativen und Vereine mit ähnlichen Zielen.

Und hier, was die neuen Investoren Nico Wollenberg und Rico Richert für das Haus geplant haben:

 

http://www.213.archi/Hobrecht